Bin ich eine Rabenmutter ?

Es ist noch gar nicht so lange her, noch keine 4 Wochen als sich folgende Szene ereignete.

Es ist 09:15 und mein Handy läutet – an und für sich nichts ungewöhnliches, aber als ich den Blick auf das Display werfe, erschrecke ich. Es ist mein Lieblingssohn. Mein erster Gedanke: „Da muss etwas passiert sein, denn er ist in der Schule und dort sind Handys an und für sich verboten.“  Schnell hebe ich ab.

„Mama, ich hab das Geld für den Ausflug vergessen.“

Puh, erst einmal bin ich erleichtert, da nichts passiert ist. Doch zur Erleichterung mischt sich schnell Verärgerung, denn ich hatte sowohl am Vorabend als auch noch in der Früh meinen Lieblingssohn gefragt, ob er alles für die Schule mithabe.

 „Aha, das ist blöd, aber was soll ich jetzt tun? Ich hab dich doch zweimal gefragt, ob du alles für die Schule beisammen hast.“

„Ja, ich weiß eh……“

„Sag halt der Frau Professor, dass du das Geld morgen mitbringst“

„Aber ich brauch das Geld heute. Ich hab ihr gestern schon versprochen, dass ich das Geld heute mitbringe.  Sonst darf ich nicht mit fahren. Bist du zuhause? Hast du einen Klienten?  Kannst du es mir nicht bringen?“

Ich merke wie ich noch ärgerlicher werde.  Nur weil er wieder einmal Traummännlein ist, soll ich jetzt herhalten…..

„Ja, ich bin zuhause – und: Nein, ich habe keinen Klienten“

…….

Was hättest du jetzt an meiner Stelle gemacht? Hättest du deinem Lieblingssohn das Geld in die Schule gebracht? 

Oder hättest du dich auch – so wie ich – wie eine vermeintliche Rabenmutter verhalten  und deinem Sohn seinem Schicksal überlassen?

Na ja, seinem Schicksal hab ich ihn ja nicht wirklich überlassen. Ich wollte ihm zwar das Geld nicht nachtragen aber so ganz im Stich lassen natürlich auch nicht. Nachdem ich meinem Sohn klar und deutlich gesagt habe, dass ich ihm das Geld nicht bringen werde, habe ich ihn gefragt, was er denn für Möglichkeiten hätte.  

  • Das Geld ausborgen – Ja, aber so viel Geld (Anmerkung EUR 10,–) wird niemand zusätzlich mit haben
  • Der Frau Professor sagen, sie solle mich anrufen – Nein das ist peinlich
  • Ah, aber vielleicht ist es ja möglich von mehreren Kindern ein paar Euro auszuborgen und so die EUR 10 zusammenzukratzen.

Aber frage nicht ….. noch während wir am Telefon GEMEINSAM verschiedene Möglichkeiten überlegt haben, ging es rund in meinem Kopf.

Ich habe  die Großeltern reden gehört: „ Na, wenn du eh zuhause bist und gerade nicht arbeitest, könntest ihm schon das Geld nachbringen.  Du Rabenmutter“

Auch meine Freundin S. meldete sich in meinen Gedanken zu Wort. „Ich kontrolliere die Schultasche und das Mitteilungsheft heimlich – so weiß ich immer, was mein Kind braucht – mir kann so etwas nicht passieren. Ich bin keine Rabenmutter“

„Wie kannst du das nur machen, du Rabenmutter“

„Rabenmutter, Rabenmutter, Rabenmutter“…..

Und da war es wieder einmal, das schlechte Gewissen! Das Gefühl als Mutter nicht genug oder nicht das richtige für mein Kind zu tun. Das Gefühl als Mutter zu versagen.

Ein äußerst unangenehmes und kräftezehrendes Gefühl. Ein Gefühl, das ich immer wieder erlebe – mal stärker, mal weniger stark. Und in letzter Zeit Gott-sei-Dank immer seltener, da ich mittlerweile gelernt habe, damit umzugehen.

Mein Outing als Rabenmutter:

Aber ich kann mich noch erinnern an die Anfänge meines Mutterdaseins. Oft kam ich mir vor wie Bill Murray in dem Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“. Das ist der Film wo er als Reporter  in einer Zeitschleife festsitzt und ein und denselben Tag immer wieder erleben muss. Der einzige Unterschied – bei mir wiederholt(e)  sich nicht kompletten Tagesablauf, aber immer ein und dasselbe Gefühl:  Das Gefühl als Mama nicht gut genug zu sein. Eine Rabenmutter zu sein.

Wie oft habe ich mich geschämt, weil ich anders war als andere Mütter.

  • Weil ich oft so müde und erschöpft war, dass ich die Nerven verloren habe und etwas lauter wurde.
  • Weil ich mein Kind schon mit 2,5 Jahren in die Kindergruppe gegeben habe, um mir meine Selbstständigkeit aufzubauen.
  • Weil er mit 3 Jahren schon als jüngstes Kind in der Ferienbetreuung war, damit ich vormittags Zeit hatte in Ruhe für meine Arbeit hatte.
  • Weil ich mehr Wert auf Qualitytime leg(t)e als auf Quantität.
  • Weil ich ihm die Schuljause (so wie angekündigt) nur einmal im Semester in die Volksschule nachgebracht habe
  • Weil ich ihn mit 8 Jahren am Strand auch alleine auf die Toilette gehen hab lassen
  • Weil ich (als er 9 Jahre alt war) das erste Mal alleine für 3 Tage eine Auszeit genommen habe und mit Freundinnen nach Mallorca geflogen bin.
  • ….

 

Sooo oft hab ich mich geschämt und hab gezweifelt an mir:

Als Mama ist es doch meine Pflicht für mein Kind da sein – 24/365! Alles andere wäre Vernachlässigung. Oder?

Und außerdem, die anderen schaffen das ja auch! Wieso ich nicht?

Und was werden die anderen dazu sagen, wenn sie es mitbekommen, dass ich so eine Rabenmutter bin?

Lange Zeit hab ich mit niemanden darüber gesprochen. Gott sei Dank erhielt ich in meinen Ausbildungen immer wieder Unterstützung und Hilfe. Ich erhielt die Bestätigung, dass ich als Mama auch auf MICH schauen darf. Dass ich mich nicht aufopfern muss für mein Kind und meine Familie. Ich erhielt nicht nur moralische Unterstützung, ich durfte Möglichkeiten im Umgang mit diesen Gefühlen kennenlernen und vor allem merkte ich, dass ich nicht alleine war. Dass (fast) jede Mama zumindest ab und an dieses Gefühl kennt.

Ich nehme an, du kennst das auch, oder?

Immer wieder und in gerade in letzter Zeit immer häufiger sitzen Mamas in meiner Praxis, die total verzweifelt sind. Die dieselben Stimmen im Kopf haben wie ich damals.  Stimmen, die ihnen einflüstern wollen, dass sie Rabenmütter sind. Mamas, die nur ganz verschämt und zaghaft darüber sprechen wollen.

Und deshalb gibt es diese Blogparade *) – ich will dir und allen Mamas da draußen sagen, dass auch du bzw. sie nicht alleine bist/sind. Ich habe sie gesucht und auch gefunden: engagierte und couragierte Bloggerinnen und Mamas, die in den nächsten Tagen ihre Erfahrungen mit dir teilen wollen.

Warum aber sind Rabenvögel schlechte Mütter?

Im Vorfeld zu der Blogparade habe ich mich auch mit dem Begriff der „Rabeneltern/Rabenmutter“ beschäftigt. Rabenvögel spielen weltweit und von je her eine Rolle in Sagen und Märchen.  Mal nützen Könige und Götter ihre Weisheit und Intelligenz, mal werden sie mit Hexen und Zauberern in Verbindung gebracht.

Reicht das alleine schon aus, die Muttertiere als schlechte Mütter zu verurteilen?

Und tatsächlich tut man diesen Tieren unrecht damit, sie als tierische Metapher – ja sogar als „Schimpfwort“ für Eltern/Mütter zu verwenden, die sich nicht um ihre Kinder bemühen.  Denn Rabeneltern sind keine schlechten Eltern!!

Auf der Suche, woher dieser Vergleich mit den Rabeneltern kommt, habe ich gelernt, dass Rabeneltern eigentlich sehr fürsorgliche Eltern sind. Ihre Jungen werden als Nesthocker geboren. Das bedeutet, dass sie nackt, blind und hilflos sind – wie viele andere Vögel auch und im Gegensatz zu Küken von Hühnern oder Enten. Wie alle Elternvögel von Nestflüchtern, füttern auch Rabeneltern ihre Jungen einige Wochen lang, warnen und schützen sie vor ihren Feinden. Beide Eltern kümmern sich um ihren Nachwuchs, wobei in der Regel die Mutter im Nest bleibt, während der Vater die Nahrung herbeischafft.

Viele Jungraben verlassen aber schon vor Erlangen der Flugfähigkeit aus eigenem Antrieb das Nest. Am Boden machen dann auf den Beobachter einen recht hilflosen Eindruck und erscheinen als zu früh sich selbst überlassen.  Es ist also ein Trugschluss dass Rabeneltern/-mütter nicht fürsorglich wären!!!

Da gewinnt doch auch die Bezeichnung „Rabenmutter“ eine völlig neue Bedeutung, oder?

Und so geht es weiter:

Heute habe ich mich einmal geoutet und den Begriff der Rabenmutter hinterfragt!

In den kommenden Tagen – so hoffe ich – werden sich noch mehr Mütter outen. Vor allem aber werden sie dir ihre Tipps und Tricks verraten.

Auch von mir wirst du noch lesen – denn behaupte: Manchmal ist es gut eine vermeintliche Rabenmutter zu sein.  Was ich damit meine gibt’s in Teil 2 dieses Artikels (vorausichtlich schon am Donnerstag) – lass dich überraschen!

Ach so – ja. Wenn du dich fragst, wie die Geschichte vom Anfang ausgegangen ist: Mein Lieblingssohn hat es geschafft, die EUR 10,– in kleinen Beträgen von seinen SchulkollegInnen zu borgen. Außerdem hat er jetzt immer ERU 10,– für den Notfall in der Schultasche  (etwas, das ich ihm schon vor langer Zeit vorgeschlagen, er aber bis jetzt nicht umsetzen wollte)

Bisher im Rahmen der Blogparade erschiene Artikel:

    1. Und täglich grüßt die Rabenmutter von Angela Schatta (Herzrebellin und Angstbefreierin)
    2. Trau dich, du selbst zu sein – du bist die beste Mama für dein Kind von Susanne Kistenmachner, die Würze in dein Lernen bringt
    3. Rabenmutter – oder ECHT HERRLICH UNPERFEKT, MENSCHLICH? von Stephanie Kempe – Love Life Coach, Founder der ES GEHT ALLES Community, Smart Strategin
    4. Warum es gut ist, eine Rabenmutter zu sein von mir/ Marianne Rott – Mutter-/Kindflüsterin
    5. Ab wann bin ich eigentlich eine Rabenmutter von Katja Muras – systemische Eltern- und Erziehungsberaterin
    6. Gastbeitrag von Denisa Vadala: Das Recht darauf, eine Rabenmutter zu sein
    7. Glaubenssätze für Rabenmamas von Natalie Garbotz von „Little Bird – leben in Bildern“
    8. Rabenmütter sind gute Mütter von Nicole Bailer (Mutter, Coach, Autorin)
    9. Lasst uns Rabeneltern sein – Inge Schumacher – Heilpraktikerin & Lifecoach
    10. Rabenmama – liebende Mutter, die neue Wege geht – Gastbeitrag von Katja Kohlstedt
    11. 6 Gründe, warum es großartig ist, eine Rabenmutter zu sein – Vivien Schulter (Vereinsgründerin, Coach, Autorin)
    12. „Die beste (Ex-)Rabenmutter aller Zeiten – oder vielleicht doch nicht“ von Petra Smarsch, Kinesiologin
    13. Obwohl jeder einzelne der bisher erschienen Beiträge zur Blogparade großartig sind, möchte ich diesen hier hervorheben weil er einzigartig in dieser Blogparade ist: Geschrieben von einem 12 Jährigen :  Und täglich grüßt die Rabenmutter – ein Beitrag aus Kinder- bzw. Teeniehand – von Felix Mautsch, erschienen am Blog seiner Mama Sylke Mautsch – Entspannungstrainerin
    14. Mutter werden ist nicht schwer, Mutter sein dagegen sehr?! von Patrizia Steiner (Gesundheitspädagogin)

 

 

 

*) Blogparade:  Eine Blogparade ist eine Einladung an andere Blogger innerhalb einer gewissen Zeit zu einem bestimmten Thema zu schreiben.  Die teilnehmenden Blogger veröffentlichen ihren Beitrag auf ihrer eigenen Seite,  verweisen aber aufeinander. Am Ende werden alle Berichte zusammengefasst und verlinkt!